Suche
Close this search box.

„Ich lebe einen surrealen Traum“

Appetizer des Monats: September 2022. Nina Probst traf WNBA- und Nationalspielerin Satou Sabally für #BIG119 zum Interview. Ein Gespräch über die richtige Balance, pinke Einhörner und ein surreales Leben.

“Ich lebe einen surrealen Traum”

Es ist 16.30 Uhr in Dallas, 1.30 Uhr in Deutschland. Zwischen ihrem Pool-Workout und einem Termin mit dem Finanzberater nimmt Satou Sabally sich Zeit, um über Zoom mit BIG zu sprechen. Die 24-jährige Flügelspielerin der Dallas Wings hat sich dafür ins Bett gelegt, um die Gelegenheit zu nutzen, die Beine zu entspannen. Denn solche Gelegenheiten sind rar für die Berlinerin, die sowohl in der WNBA als auch bei Fenerbahce Istanbul in der Türkei spielt. 

Interview: Nina Probst |Foto: Renata Kireyeva.

Satou, wie schaffst du es, zwei Ligen plus Nationalmannschaft zu vereinen?

Das ist wirklich nicht einfach. Nach meiner Saison in der Türkei hatte ich gerade einmal vier Tage frei. Nach dem Playoff-Finale bin ich nach Dallas geflogen, um dort drei Tage später mit einer ganz neuen Mannschaft wieder auf dem Feld zu stehen. Das macht es schwer, auch mal herunterzufahren, fast unmög-lich. Hinzu kommt, dass ich meine Pausen auch nutzen will, um mit der Nationalmannschaft zu spielen.

Und wann machst du wirklich mal Pause?

Ich meditiere mittlerweile, denn für mich ist es sehr schwer, gedanklich nur an einem Ort zu sein. Jetzt zum Beispiel muss ich mich wieder um meinen türkischen Vertrag für die kommende Saison kümmern. Meditieren hilft mir dabei, zu entspannen und mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Ich chille auch gerne mit meinen Freunden oder kann bei Workouts im Pool abschalten. Mit der Zeit musste ich Alternativen und Wege finden, wie ich auch während der Saison Pause machen kann. Denn ein „Nach der Saison“ gibt es kaum.

Das ist sicher nicht immer einfach.

Nein. Manchmal komme ich an einen Punkt, wo ich nicht mehr kann. Dann muss ich mich einfach hinlegen und schlafen. Daher mache ich meine Work-outs jetzt auch lieber morgens und nehme mir später Zeit für einen kleinen Mittagsschlaf. Mein Lebensstil hat sich in den vergangenen zwei Jahren stark verändert.

Inwiefern?

Mein ganzer Tag dreht sich nur um Basketball. Ich konzentriere mich voll auf den Sport und will in meinen Körper investieren. Dazu habe ich eine persönliche Trainerin, die mir in einer App jeden Tag aufschreibt, was ich tun muss. Auch Yoga, Pilates und Pool-Workouts. Vor allem aber habe ich meinen Fokus geändert. Ich war immer ein Mensch, der 10 000 Dinge zu tun hatte. Jetzt musste ich lernen, wie ich andere Ressourcen nutzen kann, um mich nur auf den Sport zu konzentrieren. Daher auch ein Finanzberater. Mittlerweile gehe ich nach den Spielen auch nicht mehr lange feiern. Zwar bin ich schon ein Mensch, der das Leben genießen will und kann, schließlich bin ich kein Roboter. Aber wenn man etwas erreichen will, muss man Prioritäten setzen. Das haben mich die vergangenen Jahre gelehrt.

Was willst du denn noch erreichen?

Ich möchte mit Fenerbahce Euro-League-Champion sein, das hat sich mittlerweile zu einer Priorität entwickelt. Wir haben jetzt jeweils einmal Bronze und Silber gewonnen, da fehlt einfach noch die goldene Medaille. In Amerika ist es die WNBA-Championship, die ich als Ziel habe. Wir sind in Dallas eine so talentierte, aber eben junge Gruppe – da bin ich sicher, dass diese Siege auch kommen. Außerdem würde ich gerne mindestens einmal MVP genannt werden und auch außerhalb des Sports an meiner Brand arbeiten.

Apropos Brand: In einigen Medien bist du auch als Unicorn bekannt.

(lacht) Das war mein College-Trainer Kelly Graves. Er hat mal in einem Interview gesagt: „She is like a Unicorn“, weil ich so viele Interessen habe in meinem Leben. Da hat natürlich auch amerikanisches Storytelling eine große Rolle gespielt. Aber ich mag den Vergleich. Ich liebe Pink, und Einhörner sind für mich einfach pink. Ein Unicorn zu sein, ist wie für mich ein Statement, auch was meine Performance auf dem Court angeht. Ich will einzigartig sein und zwischen den anderen herausstechen.

Klingt, als wärst du zufrieden, wie alles läuft.

Das schon, aber du hast mich heute auch an einem guten Tag erwischt. So ein Profileben ist nicht immer einfach. Ich vermisse meine Familie und manchmal schmerzt der Körper einfach. Vergangene Saison hat mein Körper Stopp gesagt, aber ich habe nicht zugehört. Ich habe noch die 3×3-Olympia-Qualifi-kation gespielt und danach in der WNBA. Später im Sommer bin ich dann an einen Punkt gekommen, an dem ich mental nicht mehr in der Lage war weiterzuspielen. Da musste ich die Notbremse ziehen und einen Reset machen. Das war eine schwere Zeit für mich. Ich habe nach dem Training oft geweint und wollte von Basketball nicht mehr wirklich etwas wissen.

Wie hast du neue Motivation geschöpft?

Ich habe viel darüber geredet. Mit meiner Mom und mit einem Sportpsychologen, der mir schon seit dem College durch solche Situationen hilft. Er unterstützt mich dabei, meine Gefühle herunterzubrechen, und macht mir klar, dass auch psychische Schmerzen eine Behandlung brauchen. Ich habe gelernt, mit mir allein zu sein und meine Emotionen zuzulassen. Unsere Generation ist immer so beschäftigt damit, was draußen los ist, und nicht mit dem, was in einem selbst passiert. Ich habe mittlerweile auch gelernt, einfach zu weinen – und dass es okay ist, auch mal nicht okay zu sein. Die Tiefen kommen genauso wie die Höhen, das muss ich ausbalancieren.

Du hast also auch viel über dich selbst gelernt.

Auf jeden Fall. Ich erkenne nun besser, wenn es mir mental nicht mehr so gut geht, und kann recht-zeitig einen Gesprächstermin vereinbaren. Außerdem schreibe ich Tagebücher, seit ich neun Jahre alt bin. Das hilft mir.

Gibt’s auch Hilfe seitens deiner Vereine?

In der WNBA ist die Unterstützung tipptopp. Als es mir nicht gut ging, habe ich sogenannte Mental Health Days bekommen und konnte sogar mitten in der Saison zu Hause bleiben, um mich zu erholen. In der Türkei und in Europa generell ist das Thema nicht so präsent. Ich habe zum Beispiel hier am College mehr darüber gelernt als bei der Nationalmannschaft. Ich fände gut, wenn es auch in Deutschland mehr Möglichkeiten gäbe, sich über mentale Probleme auszutauschen.

Wo siehst du noch Unterschiede zwischen den Nationen in Bezug auf Basketball?

Natürlich zunächst auf der spielerischen Ebene. In Deutschland geht es auf dem Feld zum Beispiel viel strukturierter zu. Mir war das oft zu strukturiert. In den USA gibt es diese Systeme natürlich auch, aber insgesamt ist das Spiel athletischer, und wir können in diesem kontrollierten Rahmen auch viel zocken. In der Türkei ist es eine Mischung aus europäischem und amerikanischem Basketball, das Spiel ist wirklich hart. Als Ausländerin bekomme ich da keine Pfiffe. Aber ich liebe es, in der Türkei zu spielen. Und es lohnt sich: Ich bin in den vergangenen zwei Jahren viel besser geworden.

Verfolgst du auch die Entwicklung der DBBL noch?

Eher weniger. Ich habe gesehen, dass Freiburg deutscher Meister geworden ist, und habe mich sehr darüber gefreut. Ich verfolge auch einzelne Spielerinnen und sehe, dass mit Leonie Fiebich und Luisa Geiselsöder zum Beispiel guter Nach-wuchs da ist. Ansonsten habe ich aber keinen Überblick. Ich würde gerne mehr erfahren, vor allem auch über die WNBL, allerdings ist die Medienpräsenz sehr gering. Daran will ich gerne etwas ändern und den deutschen Basketball der Frauen bekannter machen. Dazu wird es in diesem Jahr noch etwas wirklich Tolles geben.

Verrätst du uns mehr?

Mehr kann ich nicht sagen. (lacht) Nur: Es wird eine coole Sache werden für den Frauen-Basketball.

Wir sind gespannt! Was die Medienpräsenz und Vermarktung angeht, bist du ja mittlerweile ein richtiger Profi.

Schon allein durch meine College-zeit war ich mit den Medien recht vertraut und seit dem Draft sowieso. Der Kontakt zu Medien hat sich jetzt wieder ein bisschen gelegt, vor allem das Interesse aus Deutschland ist mit der Zeit geringer geworden.

Wirst du auch auf der Straße regelmäßig erkannt?

In den USA passiert das vor allem dann, wenn ich meine sportliche Kleidung anhabe. Da werde ich beim Einkaufen schon häufig angesprochen, aber nicht unbedingt darauf, dass ich Satou Sabally bin, sondern grundsätzlich, ob ich Basketball spiele. Das liegt, glaube ich, auch viel an meiner Größe. In Istanbul kommt das auch oft vor, in Deutschland passiert es mir eher, dass die Leute mich einfach anschauen.

Bist du denn hin und wieder hier, um deine Familie zu besuchen?

Leider sehe ich sie kaum und ich vermisse sie sehr. Wenn ich tatsächlich mal in Berlin bin, versuche ich, mir für alle Zeit zu nehmen. Aber meine Familie ist eben riesig und ich liebe sie alle. Vor allem über Facetime halte ich mit allen Kontakt, aber das ist nicht dasselbe. Ich sehe zum Beispiel nicht, wie meine kleinen Brüder aufwachsen, welche Gespräche sie von der Schule mit nach Hause bringen und kann nicht die alltäglichen Dinge mit ihnen erleben. Das ist wirklich schwer.

Immerhin siehst du deine Schwester jetzt öfter. Sie wurde von New York gedraftet.

Das ist unglaublich, ich habe mich so für sie gefreut. Dass zwei Schwestern aus Deutschland gedraftet wurden, und dann auch noch so früh in der ersten Runde, gab es, glaube ich, bis jetzt noch nie. Ich freue mich so darauf, wenn Nyara nach ihrer Operation wieder auf dem Feld stehen kann. Sie ist so stark und es spricht viel für ihre Arbeit, dass sie das jetzt geschafft hat.

Sicher bist du auch ein Vorbild für sie.

Ich würde schon sagen, ja. Gerade mit dem ganzen Draft war sie sehr gestresst. Da habe ich mehrere Anrufe von ihr bekommen, weil sie Fragen hatte. Bei so etwas merke ich, dass ich ein Vorbild bin und viele Tipps geben kann. Aber ich kann umgekehrt auch von ihr lernen. Zum Beispiel Geduld. Wie Nyara mit ihren Kreuzbandrissen umgegangen ist, das hat mir wirklich noch mal die Augen geöffnet. Sie hat immer weitergearbeitet und hart dafür trainiert, damit sie jetzt bald wieder auf dem Feld stehen kann. Das hat mir noch mehr gezeigt, dass ich immer weitermachen muss.

Wen würdest du sonst als dein Vorbild bezeichnen?

Ich habe mehrere Vorbilder, von denen ich mir etwas abschauen kann. Jeder hat Stärken, trotzdem will ich immer eine individuelle Person bleiben. Wenn wir über Vorbilder generell sprechen, dann ist da auf jeden Fall meine Mom. Bei den Basketballspielern LeBron James, weil er auf dem Court ein Biest ist und daneben ein Top-Business am Laufen hat. Ich möchte auch soziale Projekte machen, eine Business-Frau und viel mehr als nur Basketballerin sein. Da gibt es noch viele andere tolle Personen, an denen ich mir ein Beispiel nehmen kann. Ich finde es Hammer, wie einige Sportlerinnen und Sportler sich erweitern.

Du selbst bist ja auch politisch engagiert.

Es ist weniger geworden, ich habe einfach die Zeit nicht mehr. Gerade während des Corona-Lockdowns waren die Umstände gut, aktiv zu sein. Aber so oder so, ich werde immer ein Licht auf das Problem der Rassendiskriminierung werfen. Das ist mein Job.

Weil du Profisportlerin bist?

Weil ich ein Mensch bin. Klar, schon auch weil ich Profi bin, schließlich habe ich einfach mehr Follower und daher eine größere Reichweite. Aber vor allem bin ich ein Mensch und eine schwarze Frau, die sich für Gleichberechtigung einsetzt, für Frauenrechte. Die Welt hat viele Probleme, die wir aufarbeiten müssen. Und da spielt Gleichberechtigung eine wichtige Rolle.

Wie erlebst du die Reaktionen auf dein Engagement?

Eher positiv. Aber natürlich gibt es auch immer die Leute, die sagen, dass das nicht richtig ist. Dass Frauen zum Beispiel gar nicht schlechter bezahlt werden. Kritische Beiträge nehme ich gerne an, denn es muss ja nicht jeder meiner Meinung sein und wir können darüber diskutieren. Wenn aber Leute mit Beleidigungen kommen, dann werden die geblockt. Oder ich schaue mir das gar nicht erst an.

Du hast ja auch etwas in diese Richtung studiert, oder?

Ja, ich habe Sozialwissenschaften und Legal Studies studiert. Die vergangenen beiden Jahre haben mir gezeigt, dass das ein sehr gutes Studium war, um Dinge anzusprechen und darauf aufmerksam zu machen, dass die Welt viele Probleme hat. Ich versuche immer noch ständig, mein Wissen zu erweitern. Es fühlt sich an, als wäre ich noch in der Schule, nur ist das mein richtiges Leben.

Dein Leben – wie fühlt sich das für dich als Profi an?

Ich lebe einen Traum, der anstrengend ist, den ich aber unbedingt weiterhin erleben möchte. Oft realisiere ich gar nicht, was wirklich passiert. Dann gibt es aber auch manchmal diese kleinen Momente, in denen ich darauf blicke, was ich geschafft habe, und bin stolz auf mich. Aber meistens fühlt sich mein Leben einfach surreal an.

Nach oben scrollen